Monat: Juli 2002

  • Heinz wandert über Regenbogenbrücke zu seinem Nero

    Ein trauriger Tag für Atlantis samt Familie. Mein geliebter Mann Heinz schließt heute um 18.15 Uhr für immer die Augen und wandert über die Regenbogenbrücke zu seinem Nero. Ich habe einen wunderbaren Menschen verloren, der immer in meinem Herzen einen besonderen Platz einnehmen wird.

    Für alle Tagebuchleser möchte ich auf diesem Wege die letzte Eintragung meines Mannes, welche ich nach seinem Tode skizziert auf einem Zettel neben dem PC gefunden habe, veröffentlichen. Sie soll Euch, liebe Freunde, immer in Erinnerung bleiben. Es fällt mit immer noch nicht leicht, darüber zu schreiben, aber ich bin es seinen Freunden schuldig.

    An einem Julitag im Jahr 2002:

    „Denke an unvergessenen Nero, der immer noch allgegenwärtig ist. Alles Unangenehme fällt ab – Ärger, Stress, Traurigkeit, Kummer. Tiefe Ruhe und Ausgeglichenheit kommt in mir auf und die Zeit, über vieles nachzudenken.
    Liege im Gras – gegenüber Wurzelstock. Ist das der Eingang in die Märchenwelt?
    Schaut da nicht ein Zwerg heraus – eine Elfe?
    Mir ist, als wäre ich in einer anderen Welt, schließe die Augen, bin einfach wieder Kind, mit all seinen Träumen und Sehnsüchten. In einer Welt, wie sie eigentlich sein sollte. Die Stille, die hier lebendig ist, die gelassene Ruhe hier, alles ist körperlich zu spüren – das Herz geht auf. Man muss sie nur suchen, dann findet man sie.
    Doch dann öffne ich die Augen, kehre in die Wirklichkeit zurück. Krieg, Gewalt, Hektik, Unzufriedenheit, Wale werden wieder gemordet, Tiere gequält, Kinder misshandelt.
    Von unfähigen Politikern und Medien betrogen und belogen, manipuliert und eingelullt – was ist aus der Menschheit geworden. Kein Tier lässt sich so manipulieren wie der Mensch, kein Tier ist aber auch so grausam und egoistisch.
    Mit zunehmendem Alter bewegen mich diese Fragen immer mehr – und doch – meine Enkelkinder zeigen mir immer wieder, dass noch Hoffnung besteht, dass es vielleicht wieder einmal anders wird.
    Und ich verstehe Atlantis, warum sie sich hier so wohl fühlt – ohne Leine, ohne Halsband – einfach in Freiheit. Hier kann ich Hund sein, hier bin ich frei – und auch ich fühle mich wohl hier, trotz all meiner Gedanken.
    Denn irgendwie hat dieses kleine Fleckchen rund um mich die große Weltpolitik übersehen, die Zeit ist ein bisschen langsamer vergangen – und das tut gut.“

    Auf Wiedersehen meine Freunde, mir geht es jetzt gut und ich werde in Gedanken immer bei Euch sein.
    Heinz

  • Letzter Spaziergang mit Herrchen

    Ich werde früh wach, schaue zum Fenster hinaus. Der Himmel strahlt in einem zarten blau, keine Wolke ist zu sehen. Heraus aus dem Körbchen, mein Fräulein, auf, auf, der Wald ruft! Das brauche ich Atlantis nicht zwei Mal zu sagen.

    Langsam gehen wir über die nasse Wiese Richtung Wald. Die Sonne ist noch nicht zu sehen, ist aber als silberner Schein am Horizont zu ahnen. Diese Stunde des Tages ist besonders schön für mich. Die Natur bereitet sich auf einen neuen Tag vor; Blumen entfalten ihre Blüten, Vögel plustern im Geäst ihre Federn auf, warten auf Wärme, überall am Waldrand sieht man Rehe, Hasen, manchmal auch ein Füchslein, der Tau glitzert auf Blättern und im Gras. Es ist unendlich ruhig und friedlich.
    Na ja, nicht jeder ist Frühaufsteher, doch – liebe Langschläfer – einen Versuch wäre es ganz sicher einmal wert :-)).
    Ich ziehe die Sandalen aus, gehe barfuss durch das nasse Gras, spüre jeden Grashalm (auch jeden Stein), doch das soll ja gesund sein. Es ist angenehm kühl, ganz still, unbeschreiblich schön. Heute ist Ferienbeginn, Urlaubsantritt, Stau stehen, Stress, Hektik – ich beneide keinen, für mich ist jeder Spaziergang mit Atlantis Urlaub.

    Wir steigen durch den Wald hoch, immer wieder kommen uns Nebelfetzen entgegen. Die Sonne geht am gegenüberliegenden Horizont auf, wärmt uns von hinten. Alles ist in weiches, silbriges Licht getaucht. Wer den Waldspaziergang um diese Zeit mit offenen Augen macht, kann jetzt unendlich viel sehen. Man darf nur nicht das Große suchen, das Ferne, man muss sich einfach bücken, und man tritt ein in eine Welt der Wunder.
    Wie schön kann eine Hummel sein, die sich an den ersten Sonnenstrahlen auf einem Blatt wärmt, wie viele Arten von bunten Schmetterlingen gibt es, Tautropfen glitzern in 1000 Farben, die schönen Weinbergschnecken, die sich jetzt auf nasse und dunkle Plätze zurückziehen, Blüten in allen Farben und Formen, es ist wirklich eine Welt voller Wunder.

    Wir kommen zum Rastplatz hoch über unserem Städtchen, legen uns in das Gras und schauen in das Tal, in das jetzt Leben kommt. Die Sonne wärmt schon kräftig, Atlantis sucht eine Wasserstelle auf, die ganz in der Nähe ist. Ist schon erstaunlich, wie sicher sie jede Trinkgelegenheit in der Umgebung findet. Doch dann drückt sie sich wieder an mich, schaut noch ein wenig in das Tal und – was ist das für ein Geräusch? Mein Mädchen schnarcht unverschämt laut, fast ein Frevel in dieser Stille. Na soll sie, den Rehen und Hasen wird’s gefallen und mir soll es einerlei sein.
    Und in der nächsten Zeit wird sie nicht viel Gelegenheit haben am Waldrand zu schlafen. Ab Sonntag sind unsere Freunde aus Leipzig mit ihrer gelben Dogge Brian zu Besuch bei uns. Und da hat Atlantis natürlich Anderes zu tun, als zu schlafen, ich kenne ja mein Mädchen.

  • Wohltuender, langer Spaziergang mit viel Gelegenheit zum Nachdenken

    Gestern Abend Gewitter, endlich etwas Abkühlung. Heute regnet es in Strömen. Das wollen wir ausnutzen. Wir machen uns ganz früh am Morgen, noch in der Dämmerung, zu einem langen Spaziergang auf den Weg. Tut das gut. Die Luft ist frisch, voll angenehmer Gerüche, würzig, dringt tief in die Lunge ein. Der Regen prasselt auf die Pelerine, wird vom Wind in das Gesicht getrieben, ist Labsal nach den vergangenen heißen Tagen.
    Atlantis ist triefend nass, schüttelt sich immer wieder, doch es macht ihr Spaß. Endlich kann sie wieder bei kühlen Temperaturen herumtoben, und sie nutzt es aus. Im Wald jagt sie die steilen Abhänge hinab, kommt wieder hoch, springt mich an, ist wieder weg. Es ist kaum zu glauben, wie sie sich freuen kann. Dabei ist es noch dunkel, im Wald ist kaum etwas zu sehen.
    Wir steigen den Berg hoch, kommen auf die die freien Wiesenflächen. Heute ist es wohl nichts mit einer Rast am Waldrand. Der Wind treibt den Regen in grauen Fronten daher, direkt auf uns zu. Doch ich bin gut angezogen, genieße dieses Wetter. Die Poren der Haut im Gesicht öffnen sich weit, nehmen die Regentropfen auf, es tut unendlich gut. Gestern ist es mir gesundheitlich wieder gar nicht gut gegangen, auch heute früh noch nicht, doch jetzt. Alles ist wie weggeblasen, ich kann tief Luft holen, fühle mich unendlich wohl.
    Langsam streifen wir über abgeerntete Wiesen, vorbei an Kornfeldern, Maisfeldern, Atlantis immer auf Suche, ob sich nicht doch irgendwo irgendetwas rührt. Doch heute sind keine Schmetterlinge, Mäuse und sonstige „Todfeinde“ von ihr zu sehen, denen ist es wohl zu nass. Also hat sie alleine ihren Spaß, springt durch die Felder und über die Wiesen. Ab und zu ist ein Reh zu sehen, Krähen, Möwen, Kiebitze, doch ansonsten sind wir weit und breit alleine auf weiter Flur.
    Über mir das dumpfe Dröhnen von Flugzeugtriebwerken. Unwillkürlich schaue ich hoch, denke sofort an den fürchterlichen Flugzeugzusammenstoß über dem Bodensee. An die vielen toten Kinder, die voll Freude auf einen Urlaub in Spanien unterwegs waren und nie dort ankommen durften. Hoffentlich haben sie zumindest nicht all zuviel leiden müssen. Mein Mitgefühl gilt aber besonders deren Angehörige, Mütter, Väter.
    Ich muss aber auch an den Fernsehbericht von gestern Abend denken, an die Kinder, die von herumliegender nuklear verseuchter Munition fürchterlich entstellt sind, Schmerzen haben, ihr Leben lang leiden müssen. Warum nur? Was können sie dafür? Und das alles im Namen der Gerechtigkeit? Ich bin traurig, schäme mich fast dafür, wie gut es uns hier geht.
    Mein Mädchen bringt mich wieder auf andere Gedanken. Sie kann nicht verstehen, dass Herrchen so still ist, in Gedanken versunken. Sie stupst mich an, will spielen, na dann wollen wir doch!
    Viel zu schnell vergeht die Zeit. Fast vier Stunden sind wir unterwegs, ein herrlicher Vormittag war’s!